Exnovation: Die Abschaffung von Altem ist die größte Innovation!

Im Frühjahr sammelte ich einen neuen Begriff in meinen Wortschatz ein: Er lautet Exnovation. Für jemanden, der sich Tag ein Tag aus mit Innovation beschäftigt und die dafür notwendigen Grundvorraussetzungen stets optimiert, ein spannender Ansatz — doch was verbirgt sich dahinter?

“A stack of wedge-shaped firewood pieces” by Radek Grzybowski on Unsplash

Der kurze und erst in 2017 auf Wikipedia erschienene Eintrag zu Exnotation beginnt so:

Exnovation, die Abschaffung von Altem,[1] ist das Gegenteil von Innovation. Durch Exnovation werden Nutzungssysteme, Prozesse, Praktiken oder Technologien, die getestet und bestätigt wurden, aber nicht mehr wirksam sind oder nicht mehr mit der Strategie übereinstimmen, abgeschafft bzw. zurück genommen.[2]

Wenn man sich die Definition von Innovation vor Augen führt, dann sieht es ungefähr so aus:

Innovation = Idee ist in Form eines Produktes erfolgreich am Markt

Exnovation = Produkt wird vom Markt zurückgenommen

Beispiele sind die Verdrängung von Webstühlen, Kassetten- und Videorecordern sowie das Verbot der klassischen ineffizienten Glühlampen durch die Europäische Union.[3]

Auch im nicht-innovativen Kontext ist das Weglassen ein Megatrend: Sei es der radikale Abbau von Gütern (Buch: Magic Cleaning), Digital Detoxing oder sogar den eigenen Geist (Buch: Declutter your Mind) — überall schreit es nach der Vereinfachung, Simplifizierung, Endschleunigung.

Ist Exnovation einfacher als Innovation?

Es ist erstmal vor allem einleuchtend, dass ohne einen freien Raum “kein Platz” für Innovation besteht. So kann sich Kreativität und Neues nur entfalten, wenn es einen entsprechenden Raum (oder gar Markt) bekommt. Anstatt also immer mehr “Neues” auf das Bestehende zu kippen und somit Stress oder sogar Überforderung zu erzeugen, sollte man ernsthaft über das bewusste Weglassen nachdenken. Manchmal ist das jedoch nicht so einfach, wie etwa ein altes IT-System, was alte, aber scheinbar notwendige Prozesse am Leben hält. Meist ist damit auch mindestens ein Mensch verbunden, der keine Änderungsbereitschaft zeigt oder mit der Exnovation ernstzunehmende Existenzängste bzw. Daseinsberechtigung schürt. Es kommt also drauf an.

Welchen Wert bietet Exnovation?

Die Freisetzung des Vakuums, der durch das bewusste Weglassen entsteht, kann gigantisch sein! Wie echtes Vakuum auch, zwingt der unsichtbare (Unter)Druck zu einer Veränderung. So konnten wir bei der Abschaffung von Bildungsbudgets und Urlaubstage in unserer Firma beobachten, dass die dazugehörigen Bedarfe ganz unterschiedlich ausfallen, die Zufriedenheit steigt und trotz der teilweisen krassen Differenzen es zu keinerlei Neid oder Ähnlichem kam. Der Wikipedia-Eintrag dazu:

In der Nachhaltigkeitsforschung wird Exnovation auf Grund von Pfadabhängigkeiten und Widerständen[4] etablierter Interessen als Prozess zum Ausstieg aus nicht-nachhaltigen Infrastrukturen, Technologien, Produkten und Praktiken beschrieben. Beispiele hierfür sind die aktuell noch anstehenden Exnovationsprozesse des Atom- und Kohleausstiegs.[5]

Sind politische Interessen Bremse/Verhinderer von Exnovation?

Es gibt viele Beispiele, wo der politische Wille des Erhaltes des Bestehenden zu massiven Verzögerungen führt — meist auch selbst-schädigend. Hier nur ein kleines Beispiel aus der Brandeins:

- Umsatz CD- & DVD-Rohlinge, in DE:
2005: 461 Mio Euro
2016: 52 Mio Euro

- Einigung auf Höhe der Urheberrechtsabgaben für Hersteller: 2017

Im Wikipedia-Eintrag heißt es dazu weiterhin:

Der Begriff wurde 1981 von John Kimberly geprägt.

„Die ‚Einführung des Neuen‘ ohne die ‚Ausführung des Alten‘ (Exnovation) zu denken, verschleiert aber den Blick auf die Komplexität vieler Veränderungsprozesse, mit denen sich moderne Gesellschaften momentan konfrontiert sehen.“ – Annika Arnold, Martin David, Gerolf Hanke, Marco Sonnberger: Metropolis-Verlag, 2015[6]

Wie viel Mut ist dazu nötig?

Auf Facebook ist dazu eine kleine Diskussion entbrannt: Es ging vor allem um die Frage, ob Exnovation zwingende Grundvorraussetzung von Innovation sei. Hier widerspreche ich meinem Kollegen Vidar Anderson — ich sehe einen klaren Unterschied zwischen der bewussten Verdrängung von Altem durch Innovation und der aktiven Abschaffung nicht-mehr wirksamer

Wo kann Exnovation vor allem im agilen Kontext in Unternehmen zum Einsatz kommen?

  • Förderanträge / Formulare
  • Zielvereinbarungen / Bonussysteme / Jahresgespräche
  • Estimations (siehe auch: NoEstimates)
  • Regeln (Reiskosten …) Besser: Prinzipien
  • Assessment Center
  • Businesscase-Berechnung
  • Überstunden
  • Hierachie(ebenen)
  • limitierende Fortbildungsbudgets
  • KPIs
  • Einkaufsabteilung
  • Arbeitszeiterfassung
  • Geld als Ziel von Arbeit / Geschäftstätigkeit
  • Zentrale Verantwortung
  • Misstrauen
  • Beständigkeit

Was kannst du heute schon aktiv los — bzw. weglassen, um das Neue in deinem Leben Raum zu geben?

Quelle: Gemeinsame Session mit Alexander Krause beim Agile.Ruhr Camp 2018. Hier sind die veröffentlichen Notizen von Alex:

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Daniel Bartel — Innovating for Future!

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