Gründungsberatung, die auch für Sozialunternehmer*innen funktioniert

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Bei der Themensuche für meine Hausarbeit im Rahmen meines Masterstudiums Entre- & Intrapreneurship (tech) wurde ich von Michael Wunsch gefragt, ob ich über die notwendigen Fähigkeiten von Gründungsberatungen für Social Startups schreiben möchte. Da ich mich hierfür nicht entschieden habe, möchte ich im Folgenden meine Grundgedanken skizzieren:

Es gibt viele wunderbare Berater, Coaches und Trainer, die Menschen befähigen, die Laufbahn eines Selbständigen einnehmen. Grundaspekte der (Erst-)Beratung, die auch von öffentlichen Einrichtungen wie die der IHK angeboten werden, beinhalten: Das Motivationsschreiben, den Businessplan, das Finanzmodell, die Milestone-Planung, und und und. Am Ende des Tages geht es immer darum, zu zeigen, dass man ein profitables Geschäft aufzubauen weiß.

Doch Sozialunternehmer*innen sind mit einer anderen Primär-Motivation eingetreten: Sie wollen echte Herausforderungen lösen und dabei maximale Wirksamkeit erzeugen. Leider wird das Thema Wirksamkeit nicht ausreichend in der Ausbildung zum Gründercoach gelehrt. Auch im kaufmännischen Studium gilt die Maxime: Profit-streben. Doch Innovationen können nicht nur technischer Natur sein, sondern auch sozialen und ökologischen Ursprungs. Und von hier zu denken fällt uns wahrlich nicht leicht. Bei mir hat es ein halbes Jahr intensives Training an der School of Design-Thinking gebraucht, um zumindest konsequent vom Nutzer aus denken zu können.

Damit ist erst einmal nichts verkehrt! Jedoch merken Gründer von Sozialunternehmen schnell, wie schwer es ist, beim Thema Wirksamkeit Unterstützung zu erhalten. Vor allem, wenn beide am Tisch keinerlei persönliche Erfahrung mit sozialer Innovation haben. In Summe braucht eine Beratung für soziales Unternehmertum meiner Meinung nach vor allem Respekt gegenüber den Gründenden. Denn dieser bringt eine gehörige Portion Mut, Willenskraft und Vorstellungsvermögen mit und möchte Lösungen umsetzen, die kaum ein anderer Mensch umgesetzt hat — Innovation halt.

Die Aufgabe des Coach ist es nicht, diese Fantasie zu haben. Deswegen darf sie oder er die Idee unter keinen Umständen bewerten! Bewerten kann und darf ausschließlich die Zielgruppe. Ich erinnere Innovationsmanager laufend daran, dass den Airbnb-Gründern oft genug den Vogel gezeigt wurde, wenn sie davon sprachen, dass es Menschen gibt, die ihre privaten Wohnungen vermieten. Diese Reaktion kam von erfahrenen Bankern! Diese Art des Eingreifens kann das Potenzial von Ideen und das Selbstbewusstsein eines Menschen zerstören. Hilfreicher sind in stattdessen erfolgreiche Beispiele aus der Praxis sowie die Vernetzung mit Gleichgesinnten.

Eine Gründerin erzählte mir mal, dass ihr gesagt wurde, dass „Gutmenschentum“ in einem Businessplan nichts zu suchen hätte. Ihre Motivation möge sie doch bitte aus diesem Dokument lassen — wie verrückt, denn genau diese Motivation ist so eng mit dem Wirkungsmodell der Idee verknüpft! Loslassen ist eher eine schöne Fähigkeit des Beraters für Sozialunternehmende, denn es sollte bei größeren Entscheidungen Rat von mehreren “Experten” eingeholt werden.

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Neben der agilen Vorgehensweise nach dem Lean Startup-Prinzip, um die Idee zu validieren, gilt es hier auch darum, das Wirkungsmodell zu validieren. Hier setzt Lean Impact ein, ein Verfahren, um möglichst schnell und kostenarm die Wirkungsmechanismen zu testen. Die Frage, ob die Wirkung positiv und skalierbar ist, und ob die passende Lösung zum richtig-erkannten Problem passt, sind wesentlich früher zu beantworten als die Frage, wie das am Ende alles finanziert werden soll. Daher brauchen die angehenden Unternehmer*innen den Raum und die Freiheit, um schnell und effektiv diese Annahmen systematisch zu verproben.

Die/Der Gründerberater*in darf auch eine gewisse Offenheit zeigen, wenn es um die Finanzierung geht. In den meisten Fällen wird kein skalierbares Geschäftsmodell mit einer exponentiellen Umsatzkurve vorgezeigt. Da es dem Sozialunternehmer*innen wichtiger ist, die Wirkung auf die Straße zu kriegen anstatt Multi-Millionär zu werden, sind auch Finanzierungswege sicherer Spendeneinkommen oder Projekte ohne langfristige Gewinnerzielungsabsicht nicht ganz abwegig. Übrigens ist der beste Investor immer ein zahlender Kunde. Skalieren soll eher die Wirkung und noch besser — das gesellschaftliche Problem wird an der Wurzel gepackt, gelöst und somit das Unternehmen am Ende seiner Mission überflüssig!

Ein weiterer Aspekt sind die ethischen und moralischen Bedingungen, darunter fällt für mich auch der Schutz vor Burnout, die faire Bezahlung der Mitarbeitenden, die öko-soziale Auswahl von Lieferanten, die Barrierefreiheit sowie der inklusive und flächenweite Zugang zur Leistung des Sozialunternehmens. Diese Komplexität, die weit über ein Business Model Canvas oder der NewWork-Bewegung hinausgehen, gilt es auszuhalten.

Apropos aushalten: In jedem Unternehmenden steckt auch ein Individualist, der am liebsten das ganze System ändern will, um die Ursachen der Herausforderung auch wirklich zu lösen. Diesen Systemwandel, welcher auch Fridays For Future fordert, bedeutet auch einen Wandel der Wirtschaft und erfordert systemtheoretisches Denken. Eine Wirtschaft, die für alle da ist, wird zum Beispiel durch ein bedingungsloses Grundeinommen, einer Gemeinwohlökonomie oder anderen Formen seit vielen Jahren praktisch erforscht. Manche Gründer*innen wollen hier aktiv mitgestalten. Eine Gründungsberatung für Sozialunternehmer*innen sollte auch diesen großen Fragen offen gegenüberstehen und zumindest dem Gründungsteam die Kompatibilität hin zu einer neuen Art des Wirtschaftens nicht verwehren! Bei Unverständnis reicht es aus zu wissen, dass wir hierzulande in einer Sozialen Marktwirtschaft operieren, und gern darf das Soziale großgeschrieben werden.

Das sind meine ersten Gedanken dazu und sie sind sicherlich noch unvollständig.

Fallen Dir noch weitere Aspekte ein, die eine Gründungsberatung für Sozialunternehmen braucht? Wer befasst sich noch mit diesem Thema?

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Daniel Bartel — Innovating for Future!

Innovating for Common Good @MAK3it @GWÖ I Activist for Climate Justice I ♥ #LeanImpact #SocEnt Let’s #unlearnStartups! Books: #StartupHandbuch #DerMomTest